Die E.coli-Bakterien, die auf spanischen Biogurken gefunden wurden, könnten für den Menschen harmlos sein. Nur für das Ansehen der Gurke nicht
Was für ein vergurkter Monat. Jetzt mal aus Sicht des Gemüses selbst betrachtet. Erst raten die Lebensmittelexperten des Bundesinstituts für Risikobewertung, Gurken, Salat und Tomaten von der Speisekarte zu streichen und dann verkündet die Gurkentruppe vom Hygieneinstitut in Hamburg, dass sie das Übeltäterbakterium vermutlich gefunden hat, ausgerechnet auf spanischen Biogurken.
Inzwischen ist klar, dass die Hamburger Lebensmittelhüter zwar Escherichia coli-Bakterien nachgewiesen haben, aber nicht den Typ O104:H4, der zurzeit Tausende infizierte und Hunderte schwer krank macht. Möglicherweise sind die Erreger auf den Gurken nicht einmal richtige Ehec-Bakterien. Denn als Ehec werden nur die E.coli-Bakterien bezeichnet, die das gefährliche Shigatoxin produzieren und den Menschen krank machen können.
Die Forscher in Hamburg haben zwar nachgewiesen, dass die Gurkenbakterien das Gift herstellen können. Ob sie beim Menschen aber auch eine Krankheit auslösen können, ist unklar. Mikrobiologen gehen davon aus, dass es eine ganze Reihe solcher Shigatoxin-produzierenden E.coli, STEC, gibt, die beim Menschen keine Krankheit verursachen. Denn um einem Menschen übel mitzuspielen, müssen Bakterien mehr mitbringen als ein Gift. Wichtig ist zum Beispiel, dass sie sich irgendwie an die Darmwand anheften können, damit sie nicht direkt ausgeschieden werden.
Natürlich ist es immer noch möglich, dass Gurken am Ende auch als Quelle des Ehec-Ausbruchs identifiziert werden. Bisher sind sie aber kaum je als Infektionsquelle aufgefallen. „Ich war sehr überrascht, dass Gurken Ursache des Ehec-Ausbruchs sein sollen“, sagt Francisco Diez-Gonzalez, Experte für Lebensmittelsicherheit an der Universität Minnesota. „Ehec wird meist auf Salat gefunden, Salmonellen auf Tomaten, von Gurken hört man wirklich selten etwas.“
Gute Presse hat die Gurke trotzdem nie gehabt. Schon der Name ist eine Beleidigung, stammt er doch vom griechischen Wort für unreif ab. Dabei mag eine ausgewachsene Schlangengurke zwar grün sein, aber Reife ist, kulinarisch gesehen, natürlich Geschmackssache. Und die notorische EU-Verordnung Nr.1677/88, die den Krümmungsgrad von Gurken festlegte, war zwar in erster Linie ein PR-Desaster für Europa, indirekt aber auch für das Gemüse. Oder warum wurde die „Gurkenverordnung“ zum Sinnbild für Europas überbordende Bürokratie, obwohl ähnliche Regelungen zum Beispiel auch für Spargel, Zucchini und Karotten galten und obwohl Bauern und Handel dankbar waren, dass so stets gleich viel Gemüse in jede Kiste passte?
Die krummen Gurken wurden derweil zu Essiggurken verarbeitet, deren Ruf aber auch nicht besser ist. Fängt die Frau an, sie in Massen zu essen, weiß Mann, dass etwas im Schwange ist. Die Saure-Gurken-Zeit bricht dann auch für ihn an. Kein Wunder, dass das „Journal of irreproducible results“ 1966 schon einmal in einem Satireartikel verkündete, saure Gurken verursachten Krieg, Krankheit und Kommunismus.
„Die Gurke ist eine einjährige Pflanze, die niederliegend und kletternd wächst“, weiß Wikipedia. Niederliegen tut sie nun auf jeden Fall. Zeit, das Klettern anzufangen.
In meiner Kolumne “Wissenshunger” schreibe ich am ersten Sonntag jedes Monats im Tagesspiegel über Ernährung und Wissenschaft.
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