Sprossen können tödlich sein, und Radioaktivität Leben retten.

Manchmal lauert die Gefahr genau dort, wo man sie nicht erwartet. Fast 4000 Menschen haben sich in Deutschland mit dem Ehec-Erreger infiziert, mehr als 800 sind schwer erkrankt, 49 gestorben. Überträger der Keime waren offenbar Sprossen. Ausgerechnet ein Lebensmittel also, das als natürlich, gesund, gut gilt.

Ganz anders sieht es mit Radioaktivität aus. Die ist unnatürlich, gefährlich, böse. Das weiß jeder Deutsche, inzwischen sogar die ehemalige Atombefürworterin Angela Merkel. Nur geht es in der Realität eben selten zu, wie in einem Arnold-Schwarzenegger-Film, und wenige Dinge sind ganz und gar gut oder böse.

Die vermeintlich so gesunden Sprossen, egal ob von Rettich, Radieschen, Linsen oder Bockshornklee, beherbergen besonders häufig Krankheitserreger in hoher Zahl. Dabei geht es nicht nur um Bakterien wie Ehec-Erreger, Salmonellen und Listerien, sondern auch um Noroviren oder Hepatitis-A-Viren. Deshalb warnen Experten der amerikanischen Seuchenschutzbehörde CDC seit Jahren vor Sprossen, und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät Personen mit geschwächter Immunabwehr, auf rohe Sprossen zu verzichten.

Ausgerechnet die böse Radioaktivität könnte Abhilfe leisten. Denn setzt man Lebensmittel radioaktiver Strahlung aus, so wird die Energie unter anderem von Molekülen in den Mikroben in und auf dem Lebensmittel aufgenommen. Das führt zu Schäden im Erbgut und schließlich zum Tod der Bakterien und Viren. „Damit können wir die Verkeimung von Lebensmitteln zum Beispiel auch mit Ehec-Erregern massiv verringern“, sagt Ralf Greiner, Leiter des Instituts für Lebensmittel- und Bioverfahrenstechnik in Karlsruhe.

Tatsächlich wird die Bestrahlung von Lebensmitteln seit Jahrzehnten erforscht und in zahlreichen Ländern eingesetzt. In den USA ist sie unter anderem für Früchte, Gemüse, Gewürze, Geflügel und Schweine- und Rindfleisch zugelassen. Auch in Deutschland ist die Bestrahlung von Lebensmitteln erlaubt, jedenfalls für gefrorene Froschschenkel sowie Gewürze und Kräuter.

Es gibt zwar immer wieder Diskussionen darüber, wie die Strahlung das Essen verändern könnte. Aber Gesundheitsrisiken sind nach mehr als 50 Jahren Forschung nicht bekannt. Expertengremien der Weltgesundheitsorganisation, der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen und der deutschen Forschungsgemeinschaft haben das Verfahren für sicher erklärt.

Es gibt auch andere Möglichkeiten der Dekontamination, meist chemische, wie Milchsäure oder Chlorwasser. „Der entscheidende Vorteil der Bestrahlung ist, dass es ein physikalisches Verfahren ist, das so durchschlagend ist, dass es quasi alle Keime tötet“, sagt Niels Bandick vom BfR. Im Grunde also ein guter Schutz.

Doch das Verfahren ist verpönt. Weil in Deutschland alles schlimm ist, was strahlt. „Man muss ganz eindeutig sagen: Wenn Sprossen bestrahlt würden, wären jetzt fast 50 Deutsche noch am Leben“, sagt Philipp Tarr, Gastroenterologe und Experte für Ehec-Erkrankungen an der Washington-Universität in St. Louis. Manchmal lauert eben nicht nur Gefahr, sondern auch die Rettung dort, wo man sie am wenigsten erwartet.