Bakterien und Borschscht: Wie nitratreiche Kost den Blutdruck senkt

Mitunter ist die Denkweise der Menschen im Mittelalter sehr leicht nachzuvollziehen. Rote Bete ist rot, Blut auch. Also ist das Gemüse vermutlich gut für den Blutkreislauf. So oder so ähnlich dachte man damals und nutzte Rote Bete deshalb als Mittel gegen allerlei Blutleiden. Ironischerweise kommt die moderne Wissenschaft in Sachen Rote Bete inzwischen zu einem ähnlichen Urteil.

Frisch aus dem Beet: Rote Bete. (Foto: Wikimedia).

Frisch aus dem Beet: Rote Bete. (Foto: Wikimedia).

Grund dafür ist ausgerechnet Nitrat. Rote Bete enthält große Mengen dieser Stickstoffverbindung, etwa 20 Mal so viel wie die gleiche Menge Tomaten und 500 Mal so viel wie Mineralwasser. Lange glaubten Wissenschaftler, Nitrat habe überhaupt keinen Effekt auf den menschlichen Körper. Dann gelang es Forschern zu zeigen, dass Bakterien in der Mundhöhle des Menschen Nitrat ein Sauerstoffatom abnehmen und es so in Nitrit verwandeln können.

Dieses Nitrit könnte wiederum zur Bildung von Nitrosaminen führen, die möglicherweise Krebs auslösen. Das ist jedenfalls die Befürchtung. Klar ist das keineswegs. Weder ob Nitrit im Körper wirklich zur Bildung von Nitrosaminen führt, noch ob die Mengen neben den aus der Natur direkt aufgenommenen Nitrosaminen irgendeine Bedeutung spielen. Das Bundesinstitut für Risikobewertung empfiehlt dennoch vorsorglich, „alle Bestrebungen zu unterstützen, die darauf zielen, den Nitratgehalt in Lebensmitteln zu senken“.

Während der negative Effekt bisher nur Spekulation ist, deuten immer mehr Studien darauf hin, dass Nitrat gut für den Blutkreislauf ist. So gab die britische Forscherin Amrita Ahluwalia von der Queen-Mary-Universität in London 15 Menschen, die unter leichtem Bluthochdruck litten und die keine blutdrucksenkenden Mittel nahmen, 250 Milliliter Rote-Bete-Saft oder Wasser zu trinken. Die Ergebnisse des Experiments wurden vergangenen Monat im Fachblatt „Hypertension“ veröffentlicht: Bei den Testpersonen, die Rote-Bete-Saft getrunken hatten, sank der obere (systolische) Blutdruck im Mittel um 10 Millimeter Hg, ein deutlicher Effekt – und er hielt über Stunden an.

Auch den genauen Mechanismus haben die Wissenschaftler aufklären können: Haben die Bakterien im Mund Nitrat einmal in Nitrit umgewandelt, reichert sich der Stoff im Speichel an und wird verschluckt. So gelangt er in den Magen und schließlich ins Blut. In den Gefäßen wird er dann zu Stickstoffmonoxid umgewandelt. Das ist ein Botenstoff, der den Muskeln um die Blutgefäße signalisiert, sich zu entspannen. „Das Stickstoffmonoxid stellt die Gefäße weit, und der Blutdruck sinkt“, sagt Ahluwalia. (Um zu beweisen, dass Nitrit über den Speichel in den Körper gelangt, ließen die Forscher Testpersonen Rote-Bete-Saft trinken und die Hälfte von ihnen danach drei Stunden lang allen Speichel, der sich im Mund sammelte, ausspucken.)

Bevor Bluthochdruckpatienten nun eine Rote-Bete-Diät empfohlen werden kann, sind weitere Studien mit viel mehr Menschen und über einen längeren Zeitraum nötig. Doch alles deutet darauf hin, dass die Menschen im Mittelalter mit ihrer Vermutung richtig lagen und Rote Bete tatsächlich einen positiven Effekt auf das Blut hat. Für alle, die Borschtsch nicht mögen, gibt es aber gute Nachrichten: Nicht nur die roten Knollen enthalten viel Nitrat. Spinat, Rucola und Rettich enthalten sogar mehr von der Stickstoffverbindung. Das zumindest ist den Anhängern der mittelalterlichen Farbenlehre entgangen.