Biblische Blüte: Das umständliche Sexleben der Feige

Sex kann mitunter verdammt umständlich sein. So simpel die Idee klingt (begehren, begatten, bestäuben), so kompliziert hat die Natur sie in manchen Fällen umgesetzt. Zum Beispiel bei der Feige. Für eine erfolgreiche Fortpflanzung müssen in der freien Wildbahn zwei Bäume, drei Blütentypen und ein winziges Insekt ein komplexes Ritual durchlaufen.

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Modell einer Echten Feige aus dem Botanischen Museum in Greifswald (Foto: Wikimedia).

Beteiligt an der Obstorgie sind die weibliche Essfeige, die bisexuelle Bocksfeige und die Feigengallwespe. Der Blütenstand der Bocksfeige sieht von außen wie eine kleine Birne aus, die Blüten kleiden die Innenseite aus. Man kann sich das vorstellen wie einen nach innen gestülpten Blumenstrauß.

In einigen der weiblichen Blüten schlummert jeweils ein Ei der Feigengallwespe. Zuerst schlüpfen die männlichen Nachfahren, sie futtern sich aus ihrem grünen Gefängnis, ziehen dann von Blüte zu Blüte und begatten die weiblichen Wespen, die noch in ihren Blüten ruhen. Damit ist die Arbeit der männlichen Wespen auch schon getan, und sie verenden. Die Weibchen hingegen erwachen jetzt erst richtig zum Leben, sammeln Pollen von den männlichen Blüten ein, verlassen den birnenförmigen Blütenstand und fliegen davon auf der Suche nach einem neuen Feigenbaum.

Treffen sie wieder auf eine Bocksfeige, so legen sie in den weiblichen Blüten Eier ab und verenden dann ebenfalls. Das Spiel beginnt von vorn. Wenn sie aber auf eine Essfeige treffen, dann müssen die Insekten feststellen, dass ihr Legestachel nicht lang genug ist, um in den weiblichen Blüten ihre Eier abzulegen. Mit ihren Pollen bestäuben sie aber dennoch die weiblichen Blüten und sorgen so dafür, dass sich aus der Blütenbirne später eine Feige entwickelt.

Um sicherzustellen, dass die Essfeigen auch wirklich bestäubt werden, können Bauern Äste der Bocksfeige in ihre Essfeigen hängen. Das nennt sich Kaprifikation und ist auch deswegen ratsam, weil die Feigengallwespen eine erschreckend kurze Lebensdauer haben. Tiere, die nach ein oder zwei Tagen keinen Feigenbaum gefunden haben, tragen zur nächsten Generation nichts bei.

Und es kommt noch schlimmer. Wissenschaftler in Singapur haben jüngst getestet, wie die winzigen Wespen auf Veränderungen im Klima reagieren. Ihr Ergebnis: Je höher die Temperaturen, desto kürzer leben die Wespen. Schon ein Temperaturanstieg von 27 Grad auf 31 Grad Celsius reduziere ihre Lebensspanne auf wenige Stunden, schreiben sie im Fachblatt „Biology Letters“. Das könnte verheerende Auswirkungen haben, warnen sie. Immerhin wachsen in den Tropen hunderte Feigenarten, die zahlreichen Vögeln, Affen und Nagetieren als Nahrung dienen.

Der Mensch hingegen muss sich um seinen Obstteller auch in Zukunft keine Sorgen machen. Die meisten Essfeigen, die heute angebaut werden, brauchen weder Wespen noch Bocksfeigen. Der Mensch hat offenbar schon vor tausenden Jahren einen Weg gefunden, das ganze Ritual radikal zu vereinfachen und Feigenbäume gezüchtet, die auch ganz ohne Bestäubung Feigen bilden. In der Bibel heißt es zwar, dass Adam und Eva ihre Scham mit Feigenblättern bedeckten. Doch in Wirklichkeit hat der Mensch die Feige sehr viel effektiver zur Keuschheit erzogen als umgekehrt.